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Ausstellung: Wake Up, Europe! Support and solidarity mobilisations for Bosnia and Herzegovina and its citizens during the 1992-1995 war

Anlässlich von 30 Jahren seit Beginn des Krieges in Bosnien-Herzegowina und der Belagerung der Hauptstadt Sarajevo wurde in der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin die Ausstellung des Historischen Museums Bosnien-Herzegowinas in Sarajevo gezeigt. Die Solidarität, die Bosnien-Herzegowina in den Jahren 1992-1995 von internationalen BürgerInnen, KünstlerInnen und NGOs entgegengebracht wurde, stand dabei im Fokus.

Mit diesem Beitrag werden die Eindrücke aus der Ausstellung zusammengetragen und mithilfe einiger Bilder näher erläutert. Ein großes Dankeschön geht an den Historiker Nicolas Moll, der in Berlin die Führungen durch die Ausstellung gemacht hat.

Bild: Plakat zur Ausstellung in Berlin. Aufnahme: Emina Haye.

Am 6. April 1992 begann der Krieg in Bosnien-Herzegowina und wurde erst mit Unterzeichnung des sog. Daytoner Friedensvertrages 1995 für beendet erklärt. Er hinterließ tiefgreifende Spuren, von denen sich weder das Land noch seine BürgerInnen erholt haben. Die Aufarbeitung des Krieges und der Kriegsgeschehnisse, die stetige Verleugnung des Genozids u.a. auf hoher politischer Ebene, transgenerationale Traumata tragen dazu bei, dass ein friedvolles Zusammenleben fragil erscheint.

In Zusammenarbeit mit dem Memory Lab und mit Unterstützung des Goethe Instituts in Sarajevo sowie des Französischen Instituts in Bosnien-Herzegowina wurde die Ausstellung Wake up, Europe! Support and solidarity mobilisations for Bosnia and Herzegovina and its citizens during the 1992-1995 war ins Leben gerufen. Sie will einen historischen Überblick über die zivilgesellschaftliche und humanitäre Mobilisierung als eine weniger bekannte Dimension des Bosnienkrieges verschaffen. In der Ausstellung werden unterschiedliche Formen der Solidarität, Beispiele aus verschiedenen Ländern, sowie die Diskussionen und Diskurse zu diesen Mobilisierungen dargestellt. Darüber hinaus sollen die Kriegsgeschehnisse in Bosnien-Herzegowina als Teil europäischer Geschichte näher beleuchtet und es soll ein Bezug zur Gegenwart geschaffen werden: Was wird unter Solidarität verstanden? Wird genügend getan, um seine Solidarität mit anderen zu bekunden? Was können wir aus den Solidaritätsbekundungen und Aktivitäten der 1990er Jahre in die heutige Zeit, in die aktuelle Lage und auf den Ukrainekrieg übertragen, mitnehmen? Was können wir besser machen?

Mit dieser Ausstellung soll ein historischer Überblick über die zivilgesellschaftliche und humanitäre Mobilisierung, sowie die weniger bekannten Ausmaße des Bosnienkrieges gegeben werden. In der Ausstellung werden unterschiedliche Formen der Solidarität, Beispiele aus verschiedenen Ländern, sowie die Diskussionen und Diskurse zu diesen Mobilisierungen dargestellt. Darüber hinaus sollen die Kriegsgeschehnisse in Bosnien-Herzegowina als Teil europäischer Geschichte näher beleuchtet und es soll ein Bezug zur Gegenwart geschaffen werden.

We are Europeans, we want to live like Europeans.

Die Hintergründe

Viele BürgerInnen Bosnien-Herzegowinas und vor allem der Hauptstadt Sarajevo, die 3,5 Jahre unter Belagerung stand und von der Außenwelt fast komplett abgeschnitten wurde, waren enttäuscht mit ansehen zu müssen, dass sich (westliche) Staaten und auch Medien im Hinblick auf den Bosnienkrieg größtenteils neutral verhielten. Die kriegerischen Handlungen, deren verbrecherisches Ausmaß bereits nach kürzester Zeit zu vernehmen war, wurden als landesinterne Konflikte abgetan, in die es nicht einzumischen galt. Auf der einen Seite wurde der Bosnienkrieg als mediales Thema für die Berichterstattung im Fernsehen und Radio aufgefasst. Auf der anderen Seite mobilisierten sich europaweit aber viele zivilgesellschaftliche Freiwillige, KünstlerInnen, Intellektuelle, JournalistInnen und NGOs, die nicht einfach nur „ZuschauerInnen“ sein und bleiben wollten, sondern die sich auf unterschiedliche Weise zusammengetan und ihre Unterstützung und Solidarität mit den BürgerInnen Bosnien-Herzegowinas bekundeten.

Die Bevölkerung Sarajevos, Intellektuelle, WissenschaftlerInnen, unterschiedliche Verbände und Organisationen waren ganz besonders aktiv und versuchten auf unterschiedliche Weise auf die dramatische Lage in ihrer Heimatstadt hinzuweisen, wie auf den folgenden Fotos der Ausstellung zu sehen ist.

Der Verband unabhängiger Intellektueller Krug 99 stand in enger Verbindung mit Studio 99, einem unabhängigen Radiosender in Sarajevo. Während der Belagerung wurde der Radiosender zu einem der bedeutendsten Nichtregierungsstimmen, die sich für ein gemeinsames, demokratisches und multiethnisches Bosnien-Herzegowina einsetzte.
Krug 99 entstand dann 1994, aus den Kreisen des Studio 99, und gewann ziemlich schnell auch an internationaler Anerkennung. Die Deklaration für ein freies und einzigartiges Sarajevo, wurde im Herbst 1994 ins Leben gerufen.

The whole world knows and does nothing. Sarajevo was betrayed by everyone. Europe and the whole world. Only the people of Sarajevo did not betray themselves.

Poster Wake up, Europe – Sarajevo calls every man, woman and child wurde 1993 von den Grafikdesignern namens Trio erstellt. Sie fertigten während des Krieges Postkarten und Plakate mit bereits bekannten Motiven und Bildern und nutzten diese, um auf die Lage in Sarajevo und Bosnien-Herzegowina hinzuweisen. Dieses Poster hier geht auf ein Poster aus 1917 zurück, auf dem es „Wake up America! Civilization calles every man, woman and child“ geheißen hat und mit denen die USA auf den Krieg auf europäischem Boden hingewiesen wurden. Trio kritisiert die Passivität der europäischen Politik im Hinblick auf die Belagerung Sarajevos und auch den Bosnienkrieg.

Solidarisierung und Reaktionen Europas

Es stellt sich jedoch die Frage, wie die westliche Welt, Europa, auf diese verzweifelten Hilferufe der BürgerInnen Sarajevos und Bosnien-Herzegowinas reagiert haben. Die Ausstellung zeigt hierzu u.a. Bilder von unterschiedlichen Demonstrationen, es werden Aufrufe zu Spendenaktionen, Texte und Bilder aus Deutschland, Frankreich, Italien gezeigt. Bosnien-Herzegowina und seine Leute haben sich zu den europäischen Werten berufen und haben gezeigt, dass der Krieg nicht irgendwo, sondern Mitten in Europa stattfindet.

Als Reaktion auf den Krieg und vor allem auf die damit einhergehenden ethnischen Säuberungen auf bosnischem Boden formierten sich über 200 sog. comités Bosnie oder collectifs Bosnie, die zwischen 1992 und 1995 in ganz Frankreich tätig waren. Diese zum Teil humanitären Organisationen sahen sich jedoch eher als zivilgesellschaftliche Initiativen, die das Bewusstsein über die Lage in Bosnien-Herzegowina schaffen und die Menschen zum Helfen mobilisieren wollten. Zwischen 1992 und 1997 wurden jeden Freitag Abend Treffen in der französischen Stadt Nantes organisiert, bei denen die BewohnerInnen über die Lage in Bosnien-Herzegowina informiert wurden. Der Place du Commerce wurde dann symbolisch in Place Sarajevo umbenannt.
In Sarajevo stirbt Europa – Plakat einer Demonstration gegen den Bosnienkrieg in Hamburg aus 1993. Es wurde damit ein deutliches Zeichen gesetzt, dass der Krieg Mitten in Europa stattfindet und die Werte, für die die bosnische Hauptstadt steht, die Werte Europas vertreten und es diese zu verteidigen gilt.
Eine Gruppe tschechischer JournalistInnen formierte 1992 die Gruppe Epicentrum und die Fondaciju Lidoviny Novine, mit der Idee, Journalismus und humanitäre Hilfe in Krisen- und Kriegsgebieten zu kombinieren. Sie haben zahlreiche SOS-Appelle in Tschechien organisiert und Nothilfen für Bosnien-Herzegowina gesammelt.
Es hatten sich viele Initiativen, europaweit, gebildet, die den Menschen in Bosnien-Herzegowina nicht nur auf humanitärer Ebene helfen wollten. So zum Beispiel Schüler helfen Leben, die nach wie vor aktiv sind.

Wake Up, Europe – 100 Geschichten

Das Historische Museum von Bosnien-Herzegowina in Sarajevo hat nach dem großen Erfolg dieser Ausstellung, die nach Berlin auch in anderen großen europäischen Städten gezeigt werden soll, ein weiterführendes Projekt organisiert: Wake Up, Europe! als digitale Plattform, auf der 100 Geschichten, Nachrichten aus Bosnien-Herzegowina 1992-1995, veröffentlicht werden. Es geht dabei um Geschichten um das Thema internationale Solidarität, Initiativen von unterschiedlichen Gruppen aber auch Einzelpersonen, die mit den BürgerInnen Sarajevos und Bosnien-Herzegowinas zusammengearbeitet haben. Es ist eine Kombination aus humanitärem und zivilgesellschaftlichen Engagement, bei dem die bosnische Kultur und Lebensweise beschützt werden sollten.

In diesen 100 Geschichten werden dabei unterschiedliche Beispiele aufgegriffen, die die verschiedenen Dimensionen der Solidarität aufzeigen. So beispielsweise Flüchtlingshilfe, Demonstrationen, kulturelle Events usw., die von Jugendlichen, Frauen, Verbänden oder zivilgesellschaftlichen Gruppen formiert und organisiert wurden. Ergänzend zur Ausstellung will uns die digitale Plattform auch nicht nur über das Engagement der 1990er Jahre informieren, sondern uns auch zur Reflexion darüber anregen, was wir in der heutigen Zeit unter Solidarität verstehen.

Resümee

Dem Museum, den Kuratoren und dem wissenschaftlichen, historischen Team ist eine sehr informative und visuell ansprechende Ausstellung gelungen. Dem Besucher fällt die Parallele zur heutigen Zeit, zum Ukrainekrieg, sofort auf. Eine sich wiederholende Rhetorik, 30 Jahre später, Mitten in Europa. Jüngeres Publikum, welches den Bosnienkrieg (höchstens) aus medialen Berichten und/oder Erzählungen aus dem näheren, familiären Umfeld kennt, wird im Verlauf der Ausstellung und mithilfe der zahlreichen Bilder, Plakate, Beschreibungen und natürlich durch die Erklärungen von Nicolas Moll Stück für Stück durch die sehr wichtigen und schwierigen Jahre für Bosnien-Herzegowina geführt. Es ist äußerst wichtig, die Menschen außerhalb Balkans, Bosnien-Herzegowinas, über die Geschehnisse und den Krieg in Bosnien-Herzegowina zu informieren. Es wird deutlich gemacht, dass es Menschen gab, die sich für den Frieden eingesetzt, dafür gekämpft und die Menschen in Bosnien nicht vergessen haben. Wie eine Besucherin gesagt hat: Sarajevo und Bosnien-Herzegowina dürfen nicht vergessen werden. Diese Ausstellung trägt dazu bei, dass das Herz Bosnien-Herzegowinas, Sarajevo, eine multiethnische, gesamteuropäische und demokratische Hauptstadt im historischen Gedächtnis der Gegenwart nicht in Vergessenheit gerät.

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