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Lumnije Jusufi: Meine bosnische Freundin

Unsere Autorin Lumnije Jusufi ist am Ende ihrer Habilitation an Humboldt-Universität zu Berlin mit einer Studie zu einer Grenzregion zwischen Albanien und Nordmazedonien. Sie ist Dozentin an der HU Berlin, an der TU Dortmund und an einigen südosteuropäischen Universitäten. Sie ist Albanologin mit Schwerpunkt Soziolinguistik, wobei die Migrationsforschung einen wichtigen Schwerpunkt ihrer Forschung bildet.

Unsere Autorin Lumnije Jusufi ist als 16jährige in den 1990ern als Gastarbeiterkind nach Deutschland gekommen. Sie ist Dozentin an der HU Berlin, an der TU Dortmund und an einigen südosteuropäischen Universitäten. Sie ist Albanologin mit Schwerpunkt Soziolinguistik, wobei die Migrationsforschung einen wichtigen Schwerpunkt ihrer Forschung bildet.

Bild: Travnik, Quelle: Pixabay.

Viele Wissenschaftsgebiete widmen sich dem Erinnerungs- und Wissensvermögen eines Menschen, wobei die zentrale Frage ist, was unser Gedächtnis ausmacht. Wieviel Wissen oder Erinnerung ist individuell und wieviel kollektiv? Oder wie die Psychologie fragt, wieviel subjektives und wieviel objektives Wissen steckt in uns? Literarisch – und daran lehnt sich der erste Teil des Titels meines geplanten Essays – realisiert dies Elena Ferrante in Meine geniale Freundin beindruckend, indem sie die vierbändige Erzählung rückblickend, d.h. aus der Erinnerung heraus erzählt. Aber auch Saša Stanišić thematisiert Erinnerung in seinem vielfach ausgezeichneten Werk Herkunft meisterhaft sowohl im Hinblick auf den immer wieder erinnernden und darin stolpernden Erzähler als auch bezüglich der am Ende dement kranken Großmutter.

In dem geplanten Essay möchte ich mich anlehnend an Theorien zum Thema Erinnerung und Wissen dem Thema Bosnien und dem Bosnienkrieg der 1990er Jahre annähern. Die Protagonistin ist dabei meine frühere Schulfreundin S.H., die als Flüchtling nach Dortmund kam und einige Jahre später wieder zurückging. Im Mittelpunkt sollen ihre brockenhaften Erzählungen und mein lückenhaftes Erinnerungs- und Wissensvermögen über sie und den Bosnienkrieg stehen. Dadurch versuche ich rückblickend mit dem später objektiv erworbenem Wissen sie und viele ihrer Entscheidungen zu verstehen, beispielsweise ihre Rückkehr, aber auch unseren abgebrochenen Kontakt. Sehr oft habe ich später im ausgereiften Alter und durchs Studium eingeworbenes Wissen in Kosovo beobachtet, dass Menschen unter widrigen Umständen nach dem Krieg unbedingt zurückkehren wollten und ihre Kontakte aus der Fluchtzeit gänzlich abgebrochen haben, ein Verdrängungsmechanismus oder Vergessen-Wollen, das mit bewusst stillgelegter Erinnerung zu tun hat. In Mazedonien findet man noch heute des Öfteren sehr enttäuschte Helfer.

Krieg und Kriegserfahrung haben sehr viel mit objektivem Wissen zu tun. Das prägt unser Geschichtsunterricht, der wiederum unser „objektives“ Wissen prägt. Aber Krieg hat auch oder insbesondere mit subjektivem Wissen zu tun. Und diese möchte ich als Mosaik, auch wenn mit vielen Lücken, anhand meiner Freundin und für sie erzählen.

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