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Ado Hasanović: Die Erinnerung

Unser Autor Ado Hasanović, geboren in Srebrenica, lebt und arbeitet als Filmregisseur in Rom. 2019 wurde ihm vom damaligen Bürgermeister der bosnischen Hauptstadt Sarajevo die Goldmedaille als Zeichen der besonderen Anerkennung für seine Verdienste im Kulturbereich verliehen. Ado arbeitet derzeit an seinem ersten Dokumentarfilm. Sein Beitrag für Bosnien in Berlin fokussiert sich auf Kindheitserinnerungen an den Krieg.

Unser Autor Ado Hasanović, geboren in Srebrenica, lebt und arbeitet als Filmregisseur in Rom. 2019 wurde ihm vom damaligen Bürgermeister der bosnischen Hauptstadt Sarajevo die Goldmedaille als Zeichen der besonderen Anerkennung für seine Verdienste im Kulturbereich verliehen. Ado arbeitet derzeit an seinem ersten Dokumentarfilm. Sein Beitrag für Bosnien in Berlin fokussiert sich auf Kindheitserinnerungen an den Krieg.

Bild: Skulpturen am Meer, Kiel. Aufnahme: Emina Haye, 2022.

Wenn es um die Erinnerung geht, sind die Menschen selektiv. Ich muss mich korrigieren: Sie sind auch subjektiv, selten aber objektiv, und es gibt Menschen, die aus einem subjektiven Blickwinkel objektiv sind. Unsere Erinnerung ist wie ein Filmband. Bei den einen ist es beschädigt, bei den anderen zerstört, bei einigen mit ausgewählten neuen Informationen restauriert, je nach dem, was wo und für wen benötigt wird. Was haben aber all diese Beschädigungen, die wir aufreihen, zum Vergessen beigetragen?

Als Junge, und auch heute als erwachsener Mann, erinnerte ich mich daran, wie sehr ich einem Spielzeug, welches mein Papa in unserem Auto am Rückspiegel zu hängen hatte, hinterhergetrauert habe. Mit Papa herumfahren machte keinen Sinn ohne dieses Spielzeug. 1992 brachte uns in Glogova bei Bratunac eine Reihe von Ereignissen in eine missliche Lage. Unser Auto befand sich in einem Wald und wir, versteckt im Gebirge auf der anderen Seite, in Todesstille- und angst. Man hörte eine starke Explosion und wir sahen eine riesige Rauchwolke aufsteigen. „Das ist unser Auto.“, sagte Papa.

Das ist nur ein Teil meines Filmbandes der Erinnerung, das heute noch eine Sehnsucht nach dem Spielzeug, das mit dem Auto verbrannt ist, in mir weckt. Es werden immer dieselben Emotionen wach. Die Rufe der Menschen, die in den Feldern erschossen wurden, fühlte ich nicht, ich trauerte nur meinem Spielzeug nach. Und wir hatten in diesen Momenten nichts zu essen… Schließlich sind wir geflohen, während unser Haus in Flammen zurückgeblieben war.

Der berühmte spanische Regisseur Luis Bunuel sagte einmal, der Mensch müsste „anfangen, die Erinnerung zu verlieren, wenigstens in Teilen, um verstehen zu können, dass die Erinnerungen das sind, was unser Leben ausmacht. Ein Leben ohne Erinnerungen ist kein Leben. Unsere Erinnerungen sind unsere Verbindung, unser Verstand, unsere Gefühle, sogar unsere Aktionen. Ohne das sind wir nichts.

So ist auch meine Erinnerung an den Krieg ein wichtiger Teil meines Lebens. Ich stimme Bunuel zu, dass uns die Erinnerungen zu der Person machen, die wir sind, obwohl es dazu auch eine andere Seite der Geschichte gibt. Wenn sich der Mensch an alles ständig erinnerte, würde das Leben unmöglich werden. Einige Erinnerungen müssen also verdrängt werden, damit der Mensch in der Lage sein kann, sein Leben so zu leben, wie er das möchte. Der deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche sagte, für den Menschen sei es wichtig, in der Lage zu sein, sich an bestimmte Sachen zur richtigen Zeit zu erinnern, aber er müsse auch imstande sein, zur richtigen Zeit zu vergessen. Die Abwesenheit der Erinnerung würde den Menschen außer Gefecht setzen, aber wenn sich der Mensch an alles erinnerte, würde ihn das auch außer Gefecht setzen.

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