Die multiperspektivische Verarbeitung des Bosnienkrieges ist aus mehreren Gründen von anhaltender Aktualität und seine Thematisierung von gesamtgesellschaftlicher Relevanz.
Zum einen können die Ereignisse des Bosnienkrieges nicht als aufgearbeitet gelten, was den herrschenden Frieden in Südosteuropa leider fragil erscheinen lässt. Die Initiator*innen dieses Buchprojektes sind davon überzeugt, dass die Erzeugung eines Bewusstseins für die Auswirkungen des Bosnienkrieges bis weit hinein in die persönlichen Biographien eine Grundvoraussetzung für ein friedvolles Zusammenleben darstellt. Auch wenn dieses Buch den Bosnienkrieg nicht wird „aufarbeiten“ können, kann es doch in diesem Sinn dazu beitragen.
Zweitens können die Autor*innen des Buches aber auch einen Beitrag zur Dokumentation von Zeitgeschichte leisten, der insbesondere für Studierende und jüngere Interessierte der Gegenwart Einblicke in einen zeitlichen Kontext ermöglicht, den sie selbst nicht (medial) erlebt haben. Während sich Geschichts- und Sachbücher an der Ebene der Ereignisse und überprüfbarer Fakten orientieren, können die persönlicheren Perspektiven dieses Buchprojektes Einblicke gewähren, wie Lebensläufe, persönliche Entscheidungen und das Denken und Schreiben auch über 25 Jahre nach Kriegsende noch von diesen Ereignissen geprägt sind – wie sie also, wenn schon der Krieg nicht „aufgearbeitet“ ist, verarbeitet werden.
Drittens spiegeln diese Beiträge, die Sprachen-, Generationen- und Landesgrenzen überschreiten, auch die Entwicklung der breiteren Gesellschaft(en) wieder: einmal wird dafür das Wort „postmigrantisch“ verwendet, ein anderes Mal ist von „Kosmopolitisierung“ (Ulrich Beck) die Rede. Immer geht es darum, dass der „nationale Container“ als begrenzende Perspektive zu eng geworden ist, wenn es darum gehen soll, gesellschaftliche Wirklichkeit zu erfassen. Und zur gesellschaftlichen Wirklichkeit gehören die Narrative und Stories, die sich erzählt werden, ob in den Familien, an Schulen, an Universitäten – oder zusammengefasst unter dem großen Begriff der „deutschen Erinnerungskultur“. Insofern sich die postmigrantische Gesellschaft kosmopolitisiert, muss dasselbe auch für die Erinnerungskultur gelten.